Der 4. Gene Key – Intoleranz & Verständnis
Nachdem ich euch meine Perspektive zum Thema Toleranz schon beschrieben habe, möchte ich hier noch einen drauf legen. Heißt, ich gehe einen Schritt zurück in die Intoleranz und wage dann den Sprung ins Verständnis.
Damit lande ich direkt im 4. Gene Key.
Aber darum geht’s hier tatsächlich nur am Rande.
Das Thema zählt.
Verständnis ist in den Augen vieler vielleicht eine verweichlichte Form der Toleranz oder aber eine unverhältnismäßig offene Haltung gegenüber allem und jedem.
Es nimmt vielleicht die zwischenmenschliche Härte, ist dabei aber glasklar.
Toleranz und Verständnis existieren parallel. Verständnis kann jedoch über die Toleranz hinaus Nähe schaffen. Und Nähe lässt Mauern schwinden und Brücken bauen.
Um was geht’s denn genau?
Im Kern geht es auch hier um ein Thema mit Brisanz. Intoleranz – als Blockade des Verständnisses – hat sich nämlich zu etwas entwickelt, was in Teilen so offen ausgelebt wird, dass sich mitunter nicht mehr die Mühe gemacht wird, sie überhaupt zu prüfen. Intoleranz zeigt sich als Waffe gegenüber Menschen, die anders sind – anders denken, handeln, aussehen usw.
Natürlich ist nicht die Intoleranz die Waffe, aber sie ist der Auslöser. Und sie treibt Menschen zu sehr naiven, dümmlichen, hasserfüllten und meist unreflektierten Aussagen. An der Stelle darf vielleicht von einer ideologie-gesteuerten Intoleranz gesprochen werden.
Von einigen wird Intoleranz als Instrument verwendet, um in harmloser Weise zu polarisieren – etwa zu Marketingzwecken. Erstaunlicherweise funktioniert das.
Ausschließlich ist Reichweite das Ziel, damit wird insbesondere das „Gegenlager“ angesprochen, nicht primär der Zielkunde – den erreicht die Message ohnehin irgendwann. Das Gegenlager kann einfach nicht schweigen und muss sich äußern angesichts des veröffentlichten Blödsinns. Und genau darauf zielt diese Art von Marketing ab. Jeder halbwegs intelligente Mensch weiß das auch – aber er reagiert oft trotzdem. Wie schnell würde diese Art der Werbung versiegen, wenn sie einfach unkommentiert bliebe. Wir Menschen entscheiden über die Reichweite. Jeder einzelne von uns.
Oder wir bestärken Intoleranz, um gezielt das Gefühl von Angst auszunutzen und aus daraus entstehender Wut (und infolgedessen Hass) eine Spaltung der Menschen zu eigenem Nutzen zu provozieren.
Es ist nicht die Intoleranz an sich, die Angst schürt. Es ist die Gemeinschaft die sich daraus formt. Und Gemeinschaft schafft Sicherheit – sei sie noch so fragwürdig. Die Sicherheit ist mehr als nur porös und wenig belastbar. Aber darum geht’s in dem Moment nicht.
Menschen fallen darauf rein, fühlen sich gestärkt in dem neuen Gefühl von Gemeinschaft, ein Gefühl, durch das Unsicherheit aufgefangen und eine künstliche und scheinhafte Sicherheit produziert wird.
Die wahren Missverständnisse und die persönliche und tiefsitzende Unsicherheit wird nicht gesehen (unbewusst ignoriert). Eine vermeintliche Sicherheit wird durch stark vereinfachte logische Erklärungen geschaffen. Wer hier nicht hinterfragt und bei sich selbst schaut, verfällt dieser vereinfachten Logik.
Wann oder wie kann denn nun persönliche Veränderung stattfinden? Sie beginnt im Inneren jedes Einzelnen. Wir können uns selbst und auch die Theorien, die für uns eine akzeptierte Wahrheit darstellen selbst hinterfragen. Dazu braucht es aber den Willen und auch den Mut dazu.
Verständnis, das möchte ich ganz klar betonen, heißt nicht das Akzeptieren einer anderen Sichtweise bei gleichzeitigem Verwerfen der eigenen Sichtweise. Hier ist es ähnlich mit der Toleranz. Heißt: Du gibst erstmal nichts von Dir auf!
Aber: Ins Verständnis zu gelangen heißt im ersten Schritt einmal offen zu sein, vielleicht auch neugierig. Nur so viel: wenn wir in der Gesellschaft eine Veränderung wünschen, müssen wir bei uns anfangen.
Je mehr Dein Gegenüber einer Ideologie verfallen ist, desto schwerer wird es, Verständnis zu erlangen. Denn wir bewegen uns dann in ein nicht mehr logisches Verhalten, das keine Fakten und Tatsachen mehr hören möchte. (Das ist dann schon extrem, bzw. extremistisch – im Sinne dieses Wortes)
Intoleranz als festgefahrenes Denken
Wenn der 4. Genschlüssel ausschließlich oder überwiegend im Schattenaspekt gelebt wird, kann es sich anfühlen als gäbe es gar keine andere Erklärung für etwas als das eigene Denken, als die eigens kreierte Logik.
Es ist eine Art Blockade. Sie äußert sich primär darin, selbst unbedingt recht behalten zu wollen. Und tatsächliches Hinterfragen könnte das eigene Konstrukt ins Schwanken bringen. Vielleicht werden sich andere Meinungen oder Erklärungen auch gar nicht erst angehört. Hier führt Intoleranz natürlich auch zu Distanz.
Alles gedanklich in geordnete und für sich selbst unumstößliche Bahnen zu lenken kann Sicherheit geben. Dabei geht der Blick ins Außen verloren und ein Tunnelblick entsteht. Sehr schade daran ist, dass es eine Weiterentwicklung verhindern kann und auch zwischenmenschliche Verbindungen dadurch erschwert werden. Aus Unsicherheit wird das Unbekannte blockiert – Intoleranz ist das Ergebnis.
Der Weg zur Offenheit: Verständnis hingegen gibt Dir die Möglichkeit, eigene gedankliche Schranken zu überwinden und andere Perspektiven zu sehen – auch Geduld und Mitgefühl gehören dazu. Aber Du gewinnst an Flexibilität und Offenheit. Nichts zwingt Dich zu einem ändern Deiner eigenen Sichtweise. Das ist nicht das primäre Ziel von Verständnis. Aber neue Sichtweisen regen die Selbstreflexion an, vielleicht wirst Du auch gestärkt in Deiner Sichtweise. Zunächst einmal lässt Du neue Argumente und Sichtweisen zu. Das ist eine Brücke in Richtung Offenheit.
Verständnis hilft, Konflikte zu lösen oder nicht eskalieren zu lassen. Wenn alle Beteiligten sich gesehen und verstanden fühlen entsteht ein Weg, der Kommunikation fördert und nicht verhindert. Verschiedene Sichtweisen können offen diskutiert werden und ein Konflikt hat die Chance, konstruktiv zu werden.
Ein kurzes Eintauschen in die Gene Keys:
Welche Muster ergeben sich aus der Intoleranz?
(In Anlehnung an die Gene Keys)
Die repressive Natur (eher introvertiert)
„Apathisch“
Beginne zu denken, aber lasse Dein Denken nicht Dein Leben bestimmen.
Unbewusste Angst lässt Dich mental bewegungsunfähig werden – er friert ein.
Dein Geist wirkt apathisch. Das heißt im Klartext, er ist nicht mehr „auf Zack“.
… Funktion eingestellt… out of order.
scheint nicht mehr intelligent zu sein – nicht, weil er nicht dazu in der Lage wäre, sondern weil er seine Funktion eingestellt hat (Lähmung) und in eine Art Lethargie versunken ist.
Es fällt Dir dadurch sehr schwer, eine Meinung zu äußern – kurz, Du meinst tatsächlich, Du hast gar keine (kann eine unbewusste Entscheidung der Angst sein).
Das Außen sieht Dich mitunter anders, da diese Natur gut verborgen gehalten werden kann. Dennoch ist Deine Lebensenergie so gering, dass es sich mental und körperlich zeigen kann.
Die reaktive Natur (eher extrovertiert):
„Pingelig“
Beherrscht vom Denken – Antworten auf alle Fragen geben Dir ein Gefühl von Sicherheit. Daher entwickelst Du ein ausgeprägtes Bedürfnis Fragen zu generieren und Antworten zu bekommen.
Was passiert, wenn die Menschen, die Dir die Antworten zu geben in der Lage sind es wider Erwarten nicht können? Oder wenn das System versagt, das Dir Antworten geben soll und es nicht tut? Kurz: Wenn Dir die Sicherheit der Antworten versagt wird?
Macht es Dich wütend?
Und wer bekommt die Schuld?
Die Projektion der Schuld und die daraus resultierende Enttäuschung auf andere ist die Folge.
Deine Frustration sucht ein Ventil.
Und das ist dann gefunden, wenn irgendein möglicherweise sogar belangloses Detail die Chance bietet, Kritik zu üben und sich zu beschweren.
Und was fange ich damit an?
In den Gene Keys geht es darum aus der niedrigen Frequenz des Schattens in eine höhere Frequenz der Gabe zu gelangen. Dabei kann die Veranlagung der niedrigen Frequenz als Saat genutzt werden, um daraus etwas Wertvolles zu schaffen.
Auch wenn wir uns also in der niedrigen Energie der Intoleranz bewegen, haben wir immer das Potenzial, in die Kraft des Verständnisses zu gelangen.
Der Weg dahin ist wie bei allen Gene Keys die Selbstreflexion, bzw. genauer die Kontemplation.
Du kannst Dich von Deinen Gedanken leiten lassen oder Dich mit Fragen und Anregungen auf den Weg bringen. Es wird immer einen Punkt geben, an dem Du erkennst, wie sich dieses Thema in Deinem Leben widerspiegelt und welche Verbindung Du damit hast.
Die Intoleranz wird geleitet von Deinem Verstand. Was meint das? Du bekommst einen Bruchteil einer Sache zugeworfen und nimmst sie auf. Aber damit Du diese Sache für Dich nutzen, glauben, verinnerlichen kannst, baut Dein Verstand eine logische Geschichte drum herum. Fertig. Populismus funktioniert so ganz gut, auch Verschwörungstheorien können so ein ungeheure Kraft entfalten – am Ende ist es der Glaube an Deine eigens konstruierte, einseitige und sehr lückenhafte Theorie. Dein Bild, Deine Logik stimmt für Dich. Alles weitere muss demzufolge falsch sein. (Natürlich gehören noch andere Faktoren dazu, auf schräge Theorien, Populismus etc anzuspringen. Daher ist diese Schilderung auch lückenhaft, da nur auf das Thema Intoleranz beschränkt!)
In der Gabe des Verständnisses beschreibt Rudd die Auseinandersetzung mit Koans also bestimmten Paradoxa, die Dich auf den Weg bringen, den Verstand und den Zwang nach Logik herauszufordern.
Denn Koans, die Paradoxa, Fragen oder Anekdoten sein können, können nicht mit dem Verstand beantwortet werden.
Der Verstand schafft es fast immer, sich Dinge so zu erklären, dass sie logisch klingen. Das Verrückte ist aber, dass es der Verstand von allen Menschen für jeden Standpunkt schafft. Damit sind wir in der Intoleranz.
Es geht oft nicht um eindeutige mathematische Berechnungen, die nur eine Lösung liefern, sondern meist um komplexe und multifaktorielle Zusammenhänge.
Es geht darum, dass der menschliche Verstand sich seine eigene Logik produziert. Und so kann jeder Standpunkt mit den Argumenten der eigenen Logik vertreten werden. Wenn sich der Mensch dazu noch abschottet, um diese Logik nicht zu zerstören, gibt es wohl kaum einen Weg aus der Intoleranz.
Aus dieser Zwickmühle kann man ausbrechen, in dem man sich über den eigenen Verstand hinaus bewegt, um zu kapieren, dass es mehr braucht um Verständnis zu erlangen, z.B. Intuition, Einsicht, Empathie eine offenere nicht selektive Wahrnehmung der Realität.
Schau gern mal, ob Du für Dich ein Koan findest. Nimm Dir Zeit und denke darüber nach, bzw. meditiere darüber.
Ich bin überhaupt kein Zen-Profi und möchte deshalb gar nicht zu viele Worte darüber verlieren.
Aber um in der Aktualität des Themas zu bleiben, kannst Du für Dich ml die Frage beantworten
„Wenn zwei Menschen Recht haben, wer liegt falsch?“
Ein solches Paradoxon zwingt z.B. dazu, starre Kategorien wie „richtig“ und „falsch“ zu hinterfragen. Das erzeugt eine Pause im Denken und ermöglicht es, über den Verstand hinauszugehen – hin zu einem Zustand des Verständnisses, in dem unterschiedliche Perspektiven koexistieren dürfen. Es fördert also die Flexibilität und Offenheit, die im Geschenk des Verständnisses so zentral sind.
Ist Verständnis erstrebenswert?
Eine der vielen Fragen, die ich mir gestellt habe, wenn es um Verständnis und auch um Toleranz geht war die folgende:
Toleranz und Verständnis kommen oft dann gesellschaftlich zum Tragen, wenn es um politische Standpunkte geht.
Ist es denn überhaupt wünschenswert, Verständnis zu erlangen wenn der Standpunkt eines anderen gegen die eigenen Werte geht?
Verrate ich dann in dem Moment nicht auch meine eigenen Werte?
Mich ärgert der Tenor, Verständnis mit Harmoniesucht gleichzusetzen.
Verständnis aufzubringen, ist eine besondere Herausforderung und erfordert viel innere Stärke und sehr feste Werte.
Verständnis bedeutet nämlich nicht auch Zustimmung.
Verständnis heißt, die Perspektive des anderen zu sehen – in der Tiefe.
Es heißt zunächst erstmal weder Toleranz (also dulden oder hinnehmen) noch Akzeptanz (übereinstimmen) der Perspektive des anderen.
Nur, wie kann ich das erkennen, was wirklich hinter dem Standpunkt eines anderen steht, wenn ich nicht in der Lage bin, dessen Perspektive zu verstehen?
Sehe ich dann die Angst? Sehe ich dann die Unsicherheit?
Die andere Perspektive zu sehen, zu verstehen gibt Dir eine sehr tiefe Grundlage und die Möglichkeit zu argumentieren, wenn machbar aufzuklären oder wenn nötig eine definierte, klare Grenze zu ziehen.
Ein kleines, wirklich sehr einfaches Beispiel:
Lisa klaut Lukas das Eis.
Lukas klebt daraufhin der Lisa eine und findet sie von jetzt an doof.
Wie sieht Verständnis aus:
Lukas: Warum klaust Du mir mein Eis?
Lisa: Ich wollte auch so gern mal eines haben. (Kann Lukas vielleicht nachvollziehen, findet er noch immer total scheiße)
Lukas: Warum kaufst Du Dir denn keines?
Lisa: Weil ich kein Geld habe. (Kann Lukas nachvollziehen, ist aber auch nicht sein Problem)
Lukas: Dann frag doch deine Eltern, ob Du Geld bekommst.
Lisa (sichtlich beschämt und mit Tränen im Gesicht): Die haben mir gesagt, dass sie sparen müssen. Und im Moment haben sie kein Geld für sowas. (Kann Lukas nachvollziehen, tut ihm irgendwie auch leid, ist allerdings noch immer nicht sein Problem)
Lukas: Das ist trotzdem mein Eis. Und klauen ist doof. Das mag ich nicht.
Ende vom Lied: Lukas versteht den Beweggrund (Verständnis) ist aber nicht gewillt, dieses Verhalten zu tolerieren (sein Wertekompass).
Aber: Lukas’ innere Wut eskaliert nicht, seine Angst davor, künftig vor jeder Lisa alles verstecken zu müssen, wird zumindest nicht irrational verstärkt. Ob die zwei in 20 Jahren heiraten oder sich wegen anderer Dinge nochmal auf die Glocke hauen, wissen wir nicht.
Übrigens: Man kann die Geschichte auch umdrehen.
Denn an Lisas Stelle hätte mich definitiv interessiert, warum Lukas direkt hauen muss!
Aber das ist eine anderes Thema.
Deine Werte bleiben der Kompass
Deine Werte sind Dein Kompass. Ich möchte Dich dazu ermutigen, Deine Werte zu kennen und wirklich auch als Anker zu nutzen! Wenn Du schwimmst und Du Deine Werte nicht als Anker siehst, kann es Dich stark verunsichern.
Es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe ich meine Werte nicht an die erste Stelle gestellt, bzw. sie aus Angst vernachlässigt (und verraten!). Und das hat mich sukzessive umgehauen – mental und körperlich. Im Nachhinein habe ich die Wichtigkeit um diesen Kompass noch einmal mehr erfahren und sie so integriert, dass sie mich bei Entscheidungen und im Alltag immer begleiten. Das ist allerdings ein Prozess und viel Selbstreflexion ist nötig, um dem näher zu kommen.
Wenn also der Standpunkt eines anderen gegen Deine Grundwerte verstößt, ist es umso wichtiger, bei deinen eigenen Werten verankert zu bleiben. Verständnis hilft dir nicht, deine Werte zu verraten, sondern besser zu erkennen, wie du für sie eintreten kannst, ohne nur reflexartig zu reagieren.
Es schafft Raum für bewusste und stärkere Antworten, die auf Klarheit und Überzeugung beruhen.
Kann Verständnis eine Brücke zur Transformation sein?
Verständnis ist eine Brücke, um Menschen zu erreichen, die sich irgendwie verrannt haben. Zu erkennen, dass viele solcher Haltungen aus Angst, Unwissenheit oder Unsicherheit entstehen, ermöglicht Verständnis, einen Wandel zu bewirken. Das bedeutet nicht, die Haltung zu entschuldigen, sondern sie zu durchleuchten, um wirksam darauf zu antworten.
Aber wo liegen die Grenzen von Verständnis?
Es ist völlig legitim, zu sagen: „Ich kann verstehen, wie jemand zu dieser Überzeugung kommt, aber ich werde sie niemals akzeptieren oder tolerieren.“
Verständnis darf nicht dazu führen, dass du etwas, das deiner Vorstellung von z.B. Menschlichkeit widerspricht, verharmlost oder relativierst.
Es geht vielmehr darum, bewusst und aktiv Position zu beziehen, anstatt aus einer Haltung der Ablehnung heraus zu handeln, die oft die Fronten nur noch stärker verhärtet.
Kurz: Verständnis soll dich nicht schwach oder kompromissbereit in deinen Werten werden lassen. Im Gegenteil, es gibt dir die Klarheit, zu entscheiden, wann du kämpfen musst, wann du aufklären kannst – und wann es notwendig ist, klare Grenzen zu setzen.
Warum „Verständnis“ und nicht „Toleranz“ als Begriff der Gabe?
Ich habe anfangs etwas gehadert mit dem Begriff „Verständnis“.
Ist er vielleicht zu weich? Warum nicht Toleranz? Rudd hat sich offensichtlich bewusst für den Begriff „Verständnis“ entschieden. Möglicherweise, weil er anders greift als bloße Toleranz – und in gewisser Weise auch anspruchsvoller ist.
Toleranz kann passiv sein. Etwas zu tolerieren bedeutet, etwas zu dulden. Und definitiv ist Toleranz wichtig und auch hier können wir alle noch eine Schippe drauf legen. Aber hinterfragt Toleranz? Möchte sie verstehen, was andere – auch emotional – zu ihrer Perspektive führt?
Leben und leben lassen finde ich hervorragend!
Aber wie geht es weiter, wenn das nicht mehr funktioniert? Wie zufriedenstellend kann ein Konflikt gelöst werden, wenn es kein wirkliches Verständnis gibt?
Also, Verständnis ist aus meiner Sicht nicht weich, sondern ein echte Herausforderung. Ich vermute, das wird stark unterschätzt.
Verständnis verlangt, dass wir nicht nur oberflächlich dulden, dass jemand anders denkt. Wir machen uns die Mühe, etwas tiefer erkennen zu wollen, welche Dynamiken der anderen Sichtweise zugrunde liegen. Welche Ängste und welche Prägungen liegen dahinter? Was ist der Kern der Perspektive? Und an der Stelle, an der Stelle des „Den Kern Ergründen“ akzeptieren wir erstmal gar nichts, möglicherweise ist uns die Sichtweise fremd oder sogar unangenehm.
Verständnis ist also nicht automatisch wertneutral?
Es ist hier noch wichtiger, dass wir mit unseren eigenen Werten verbunden bleiben. Wir erkennen unser Gegenüber, bleiben aber integer.
Und Konflikte, oder sich mit anderen Standpunkten auseinanderzusetzen lässt uns klar bleiben. Auch oder gerade weil wir nicht mehr aus unserer eigenen emotionalen Tretmühle reagieren müssen.
Jetzt wäre es ja super, wenn das alles so leicht ist.
Toleranz verlangt nach meinem Empfinden klare Grenzen. Und zwar da wo Intoleranz beginnt. Intoleranz innerhalb der Gesellschaft, die Menschen ausgrenzt, Minderheiten klein hält und verachtet. Hier hat Toleranz irgendwo eine Grenze erreicht (für mich).
Verständnis nicht zwingend. Aber – als Mensch – ist es eine emotionale Höchstleistung, bestimmte Sichtweisen verstehen zu wollen – ja und auch eine mentale Höchstleistung.
Reicht denn nicht Toleranz – muss es auch noch Verständnis sein?
In politischen oder gesellschaftlichen Spannungen, in denen es um fundamentale Werte geht, kann, darf und muss die Toleranz an ihre Grenzen stoßen.
Denn die Toleranz kann es dulden und sagt: „Ich lasse dich so sein, wie du bist.“
Verständnis möchte Dinge nicht zwingend dulden aber sie sagt:
„Ich möchte verstehen, warum du so bist. Das heißt nicht, dass ich es akzeptiere. Aber wenn ich verstehe, kann ich damit umgehen.“ Da steckt Potenzial für echte Veränderung.
Warum ist das im Kontext des 4. Genschlüssels wichtig?
Im 4. Genschlüssel ist das Verstehen der erste Schritt, um die mentale Starre der Intoleranz zu lösen. Doch echtes Verständnis ist der transformierende Faktor.
Es bringt dich aus dem Kopf heraus ins Herz, wo du anderen Raum geben kannst, ohne deine eigenen Werte zu verraten.
Verständnis zu haben ist eine höhere Form von Verstehen – es verbindet Logik mit Mitgefühl.
Ist Verständnis überhaupt machbar, wenn andere Überzeugungen Dir aus dem Innersten Deines Herzens widerstreben? – Wenn Deine Werte verletzt werden?
Kommt darauf an – nein, es hängt von Dir ab. Theoretisch ja. Aber praktisch ist es genau das was Verständnis extrem anspruchsvoll werden lässt.
Wir müssen uns mitunter sehr überwinden, wenn wir Verständnis gewinnen möchten. Wir müssen über unsere eigenen emotionalen Reaktionen gehen, um andere Sichtweisen nachvollziehen zu können. Denn wir selbst sind, insbesondere in herausfordernden Situationen, gefüllt mit Emotionen, Angst und Wut, wir haben eine Abneigung gegen Sichtweisen oder sind schlicht enttäuscht. Aber auch hier sind deine eigenen Werte Dein Kompass. Halte ihn fest, Verständnis bringt Dich nicht ab von Deinem Weg, sondern kann ihn sogar festigen und dabei Brücken bauen.
Mach dir bewusst, dass Verständnis nicht heißt, etwas gutzuheißen.
Du kannst etwas verstehen, um es besser einordnen und vielleicht auch wirksamer dagegen angehen zu können – ohne deine Werte zu kompromittieren.
Frag dich „Was könnte diese Person erlebt haben, um so zu denken?“ oder „Welcher Schmerz, welche Angst steckt dahinter?“ Das öffnet die Tür zu Mitgefühl, auch wenn du die Handlung oder Ansicht verurteilst
Vielleicht kennst Du diese innere Abwehrreaktion, die sofort präsent ist, wenn Du auf herausfordernde Sichtweisen stößt? Ich kenne die sehr gut. Und gerade ganz aktuell stolpert man überall über Beiträge, die emotional etwas auslösen. Meditation, Reflexion oder Gespräche mit anderen können helfen, um nicht direkt aus der reinen Emotion zu reagieren.
Du gehst mit einem Gewinn aus diesem Prozess
Verständnis schenkt Dir ein Stückchen innere Freiheit.
Denn durch das Verständnis wirst Du selbst wesentlich klarer denken und auch handeln können.
Ein über sich hinauswachsen in anspruchsvollen Situationen stärkt Dich in deiner Haltung und macht Dich selbstbewusster. Du kannst über starre Emotionen oder Reaktionen hinausgehen und bist dabei 100% bei Dir.
Du wirst auch lernen, wann Verständnis nicht möglich ist, bzw. keine Brücken bauen kann. Dann kannst Du aber wirklich klare Grenzen setzen, sicher und selbstbewusst und im Einklang mit Deinen Werten. Und ja, es ist wichtig, das zu erkennen.
Ich merke, ich werde manchmal müde. Müde, den Menschen in Erinnerung zu rufen, dass wir ohne ein Verständnis füreinander nicht weit kommen. Wir stehen uns dann einfach selbst im Weg. Und am Ende stehen Leid, Angst und Wut im Raum.
Aber ich versuche mich aufzuraffen. Weil es einen Nutzen hat. Für uns alle und für die Menschen, die am Ende immer die leidtragenden sind, meist Minderheiten oder Menschen, die keine Kraft haben für ihre Werte einzustehen.
Und es gibt sie. Die Menschen, die das leben wollen, die aber verunsichert sind von jenen „Lauten“, die Dich noch leiser werden lassen.
Also – Bleib stark. Erkenne an, welche Stärke in Dir liegt.
Ich bleib`s auch.
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