Hier geht’s um das Thema „Grenzen“. Ich nutze das Wort Grenzen sehr oft.
Aber wenn ich das tue, geht es oft darum, Grenzen zu lösen, Grenzen, in die Du Dich begeben hast, meist ganz unbewusst und ungewollt. Das sind mentale Grenzen, Glaubensmuster, Ängste – also all das was Dich davon abhält, Deine Meinung zu sagen, zu tun was Du liebst, zu leben wo Du magst usw.
Grenzen zu lösen ist das eine. —— Grenzen zu setzen das andere.
Deine Freiheit wird dann eingeschränkt, wenn andere in welcher Weise auch immer uneingeschränkt Zugriff auf Dich haben oder wenn Du selbst eigene Grenzen nicht beachtest.
Grenzen brauchen wir
- um uns zu schützen,
- um frei und selbstbestimmt zu leben
- um nicht fremdgesteuert zu werden
- und um zur Ruhe zu kommen.
Also – Wie geübt bist Du darin, Grenzen zu setzen?
Fühlst Du Dich in den Momenten frei, wenn Du anderen erlaubst oder vielmehr ihnen nicht verwehrst, Deine Grenzen nicht zu respektieren?
Fühlst Du Dich frei, wenn Du Dir nicht erlaubst, Dich nicht traust, die notwendigen Grenzen einzufordern?
Gesunde Grenzen sind wertvoll und wichtig – für jeden von uns.
Wo sind Grenzen wichtig?
Es gibt keinen Part in Deinem Leben, wo Du nicht bestimmte Grenzen setzen darfst, wenn Du für Dich sorgst. Möglicherweise sind die Grenzen unterschiedlicher Natur. Und möglicherweise fällt es Dir in bestimmten Situationen leichter
– Familie, Freunde, Arbeit… siehst Du da Unterschiede in Deinem Verhalten?
Deine Zeit, Du darfst selbst darüber entscheiden. Wenn Du Deine Zeit für etwas anderes nutzen möchtest als für eine Extraschicht, dann darfst Du das tun. Aber Du darfst Dich natürlich auch frei anhand der Situation entscheiden, ob hier wirklich Hilfe benötigt wird. Möglicherweise hast Du ja auch eine andere Idee, wie man dem oder der Hilfesuchenden helfen kann. Da wäre es zB kein hartes Nein, sondern eher ein: Ich habe keine Zeit, aber lass uns doch mal schauen, wie wir das gemeinsam lösen können. Ein Nein muss nicht absolut sein.
Deine Gefühle sind echt und wichtig. Hat sich mal jemand darüber lustig gemacht, dass Du Dich in irgendeiner Weise unwohl fühlst? Oder hat jemand Deine Gefühle kleingeredet oder ignoriert? Dann ist Deine emotionale Grenze verletzt worden.
Sexuelle Grenzen? Anzügliche Witze oder gar ein ungefragtes Antatschen? Grenze überschritten!!!
Körperlich – Kennst Du auch Menschen, die ein etwas anderes Empfinden für Nähe und Distanz haben? In einer Standard-Gesprächssituation stehen wir meist in einer Distanz zueinander, die für alle ok ist. Selten, aber mitunter trifft man auf Menschen, die unbewusst und ohne böse Absicht irgendwie einen Zacken zu nah sind. Da ist Deine Grenze überschritten.
Umgang mit den Dingen anderer – Wenn Du Leute zu Besuch hast, dann erwartest Du, dass sie nicht die Wohnungseinrichtung zerscheppern, oder? Vielleicht müssen sie die Schuhe ausziehen, um den weißen Teppich im Wohnzimmer nicht zu versauen. Dein Partner stellt Dir Dein Auto immer wieder mit leerem Tank vor die Tür. Oder, heute in einem Post-Kommentar gelesen: Eine Autovermietung schreibt: Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie die Leute manchmal die Autos zurückgeben!!!
Die Frage kennt ihr bestimmt, habt ihr vielleicht schon mal gestellt: Machst Du das zu Hause auch so? Nein? Wieso dann hier? Grenzen nicht beachtet!
Kommunikation & mental – Passiert gern im Arbeitskontext. Vorgesetzter ist im Meeting nicht an Ideen oder Meinungen interessiert und nutzt seine Position, um Dir das Wort abzuwürgen oder Dich sogar dumm dastehen zu lassen.
Du sitzt zusammen mit Leuten, und plötzlich wird es politisch. Du fühlst Dich nicht wohl mit Aussagen die dort getroffen werden, aber Deine Verfassung lässt eine Diskussion zu diesem Thema gerade nicht zu (du bist hier, weil du einen entspannten Abend nach einem vielleicht anstrengendem und emotionalen Tag haben möchtest). Du gehst nicht, Du sagst nicht, dass Du Dich in dieser Atmosphäre nicht wohl fühlst oder Du zu einem solchen Gespräch gerade nicht bereit bist. Noch schlimmer: Nun sag doch auch mal was dazu! Und Du bringst Deinen Standpunkt in diesem Moment nicht zum Ausdruck.
Es kann aber auch genauso sein, dass Du Deine Meinung äußerst, die aber gar nicht respektiert wird. Dann kann es heißen: So ein Blödsinn, anstatt ok, verstehe Deinen Standpunkt, kann Deinen Gedanken nachvollziehen – aber ich teile es nicht. (Ist ein riesiges Problem im Moment und wird nach meinem persönlichen Empfinden immer schlimmer!) Grenze überschritten und Grenze nicht gesetzt!
Kennst Du diese Antworten?
F: kannst Du das heute noch fertigmachen?
A: Ja klar. Kein Problem. Mach ich gern. (Denkst aber: Sch… nein. Das schaffe ich nicht.)
Gegenfrage: Brauchst Du das wirklich morgen? Oder willst Du mich einfach nur ärgern? Oder hast Du das selbst schleifen lassen und ich hol jetzt den Karren aus dem Mist?
F: Übernimmst Du das? Ich muss jetzt los. (Abwälzen einer unangenehmen Sache)
A: Ich nehme Dir das gerne ab. (Denkst vielleicht: Ja, dann bist Du die Verantwortung los. Ich hoffe, ich erledige alles in Deinem Sinne, damit Du nicht später auch noch einen Anschiss bekommst./ Danke für nix!)
Oder non-verbal, im inneren Dialog:
Hat er mich gerade angefasst? Unangenehm… aber deshalb mach ich hier jetzt auch keinen Aufstand. Ist ja nichts passiert.
(Hier hat sich glücklicherweise schon vieles geändert)
Situation im Meeting. Du teilst Deine Meinung oder Deine Ansicht oder wagst es, eine Gegenfrage zu stellen – wirst übergangen, man fällt Dir ins Wort und lässt Dich nicht ausreden oder macht Dich und Deine Äußerung lächerlich.
Menschen sind nicht immer fair und das zu erwarten wird Dich immer wieder enttäuschen, hat es wahrscheinlich sogar schon oft. Ich möchte allerdings auch nicht grundsätzlich unterstellen, dass es immer bewusste Handlungen sind. Umso wichtiger ist es aber, die Grenzen klar und eindeutig zu formulieren.
Was also hält Dich davon ab, eine Grenze zu setzen?
- Du übernimmst eine Verantwortung, die Du in Deinen Augen übernehmen musst.
- Das hast Du immer gemacht, es wird in Deinen Augen von Dir erwartet.
- Du meinst, es wäre unfair, unhöflich, zu hart
- Deine Hilfe gibt Dir selbst ein Gefühl, etwas wert zu sein – Du schöpfst Deinen Selbstwert aus Deiner Hilfsbereitschaft
- Du weißt, wie sich ein Nein anfühlt und gehst davon aus, dass es Deinem Gegenüber genauso geht
(Um mal ein paar Punkte zu nennen.)
Manchmal ist man in bestimmten Momenten auch so überrascht über Dreistigkeiten, dass einem nix einfällt – ich hab da auch schon völlig irrational reagiert und mich hinterher wahnsinnig geärgert.
Einige Situationen habe ich noch immer live und in Farbe vor Augen!
Schlagfertigkeit kann man übrigens auch üben. Aber darum geht’s hier nicht.
Gesunde Grenzen
Mittlerweile ist es schon einige Zeit her. Und ich bin sehr froh, dass ich bestimmte Gedanken hinter mir lassen konnte.
Ob das leicht war? Nein! Absolut nicht. Und es hat Zeit und Geduld, aber auch Mut erfordert.
Das hartnäckigste war und ist noch immer das Bild, das ich von mir selbst hatte, die Erwartungen, die ich an mich gestellt habe.
Wenn Du durchgehend damit beschäftigt bist, Erwartungen zu erfüllen, dann ist das ein harter und erschöpfender Auftrag. Und Du hast keinen Tag, keine Minute wirklich Pause oder Feierabend.
Und wenn Du dann noch der Meinung bist, ein Nicht-erfüllen ist egoistisch, dann hast Du tatsächlich das ganz große Los gezogen.
Dass ein Nicht-erfüllen der Erwartungen im Umkehrschluss aber das Erfüllen eigener Bedürfnisse und das Einhalten gesunder Grenzen ist, ist ein Lernprozess – weniger auf der Verstandesebene, vielmehr emotional. Denn je länger Du keine gesunde Grenzen gesetzt hast, desto festgefahrener kann es sich für Dich anfühlen. Dein Verstand erkennt das mitunter schon lange.
Im Rückblick sind mir einige Momente oder Verhalten sehr bewusst geworden, die ich nicht sehen konnte oder wollte, als ich mitten drin steckte – in meinem eigenen Hamsterrad.
Das musste ich kapieren und akzeptieren
Die Welt ist wie sie ist, die Menschen sind wie sie sind.
Du kannst die Welt um Dich herum zu einem freundlicheren und schöneren Ort machen, aber die Menschen lassen sich nicht (von Dir) ändern. Und Du erreichst es nicht dadurch, dass Du den Menschen alle Freiheiten zusprichst, die Du Dir selbst absprichst – umgekehrt wird ein Schuh draus.
Wie Du vielleicht schon weißt oder erahnst, erfordert das Selbstreflexion der Menschen – manchmal auch einen Berg an Aufarbeitung. Dem müssen sie sich aber selbst stellen, selbst Bereitschaft zeigen. Das kannst Du nicht für sie übernehmen.
Für mich hieß das an irgendeinem Punkt ganz einfach:
Wenn ich nicht zufrieden bin, wenn ich merke, dass ich in meiner Tretmühle nach und nach mehr erschöpfe, dann darf – nein, dann muss ich was ändern.
Und dieses Ändern geschieht einzig und allein für mich.
Ich hatte lange Zeit keine Ahnung – oder ich hab es nicht akzeptieren wollen – dass Grenzen setzen eines meiner Hauptthemen ist. Das hat gedauert.
Wenn ich mich vor 20 Jahren schon damit beschäftigt hätte, wäre möglicherweise vieles anders gelaufen. Aber es ist auch das Umfeld, das Dich oder mich sensibilisiert für Themen, die Du selbst nicht siehst – und der eigene Leidensdruck.
Rückblickend muss ich sagen, dass ich bei den „porösen“ oder instabilen Grenzen, die ich ab und zu gewagt habe zu setzen, natürlich unter aller Vorsicht, um niemandem unglücklich auf den Schlips zu treten, ziemlich lange und gut durchgehalten habe oder eher ausgehalten habe.
Möglicherweise auch eine Strategie, aber ich habe immer versucht, den Menschen klarzumachen, dass ein aufeinander achten, ein gegenseitiges Zuhören und Einfühlen absolut wichtig ist.
Mir ist es noch immer wichtig. Dennoch ist der Umgang mittlerweile eher so, dass ich mich dabei nicht vergesse. Und meine eigenen Grenzen verhindern das nicht, sondern bestärken das.
Setze ich ausreichend Grenzen?
Eines war ganz sicher meine Strategie. Wann ist man nicht gezwungen, Grenzen zu setzen? Richtig, wenn es keine Menschen gibt, die das ggf einfordern.
Perfekt. Ich kann ganz wunderbar allein für mich sein. Das kann ich wirklich und das bin ich auch gerne. Aber nur hin und wieder. Nicht dauerhaft. Und ja, man kann gut dafür sorgen, dass einen die Menschen in Ruhe lassen. Geht ganz schnell. (Regelmäßig gesunde Grenzen zu setzen, an der richtigen Stelle, ist langfristig definitiv wesentlich leichter!)
Das ist eines der Zeichen, die Dir zeigen wollen, dass Du Deine Grenzen überdenken darfst. Welche gibt es denn noch?
- Du weißt nicht mehr wo Dir der Kopf steht – kurz: Du fühlst Dich überfordert
- Du denkst: aaaahhhh, warum fragt er/ sie mich jetzt schon wieder und merkst, wie Du wütend wirst.
- Du hast das Gefühl immer nur zu geben und nichts zurückzubekommen
- Du willst einfach verschwinden und gar nichts mehr machen
- Du hast keine Minute einfach mal für Dich
- Du meidest den Umgang mit Menschen, insbesondere mit denen, bei denen Du Grenzen setzen müsstest
- Nix geht mehr…. Ja. irgendwann musst Du Grenzen setzen, weil nichts mehr geht.
Diese Grenzen können dann radikal sein. Du haust quasi mit letzter Kraft auf den großen roten Notaus-Schalter. Das ist dann das grundsätzliche und allgemeingültige Nein zu allem!
Alles läuft auf ein Ergebnis zu: Erschöpfung. DEINE Erschöpfung…
Übrigens: alles andere läuft auch ohne Dich weiter, keine Sorge.
Den Traum, alles einfach hinzuschmeißen und zu verschwinden (an einen anderen, schöneren Ort beamen!), den hatte ich auch oft. Natürlich blieb das bei einem Traum. Und so ganz wirklich wollte ich das auch nicht.
Es steckte einfach der Wunsch dahinter, den schweren Rucksack einmal abzunehmen und durchzuatmen. Und es gibt viele Situationen, in denen es Dir nicht bewusst ist, dass genau das überlebenswichtig ist – man aber dafür nicht verschwinden muss.
Gesunde Grenzen sind eine entscheidende Lösung. Und das kann man lernen und das muss man üben.
Was ist daran schwer? Nun, da gibt es verschiedene Gründe.
Eines ist ganz sicher häufig ein Problem: Die Reaktion der anderen oder vielmehr die eigene Vorstellung der Reaktion der anderen.
Die Reaktionen sind nur in der Idealwelt immer verständnisvoll, aber es ist auch möglicherweise nicht so schwarz wie Du es Dir ausmalst.
Und auch wenn, gibt es Möglichkeiten, damit umzugehen, die Reaktionen einschätzen zu lernen und die eigene Handlungsfähigkeit zu behalten.
- du lässt mich also im Stich?
- Aber für dich ist das in 5 Minuten gemacht und ich muss mich erst einlesen.
- Deinetwegen bin ich jetzt ganz allein – du bist schuld!
- Na toll, ich dachte wir wären Freunde?! Freunde sagen nicht nein oder ich kann gerade nicht für dich da sein.
- *schweigen* und ignorieren
Da gibt es sicher unzählige Beispiele. Und ganz ehrlich, es fühlt sich beschissen an, so eine Reaktion zu erfahren – wollte man ja nicht ohne Grund immer vermeiden.
Es gibt immer extreme Formen. Also von grenzenlos bis maximal zugemauert gibt es ja alles. Aber irgendwo dazwischen gibt es sie eben, die gesunden Grenzen.
Ich kann das Thema in dieser Folge nicht in seiner Gänze erfassen. Dazu ist es viel zu komplex. Aber ich kann Dir eines sagen: Es ist möglich zu lernen.
Es ist möglich, die Reaktionen zu verstehen und mit ihnen klug umzugehen.
Du tust das immer für Dich, letztlich profitieren aber alle. Denn so entsteht Gleichgewicht.
Also, leg Deine eigenen Spielregeln fest – lass sie andere wissen, sie können sie nicht erahnen.

